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Dienstag, 10. April 2018

Textprobe Bericht - Depression - integriert am Rande des Wahnsinns

Es gibt Themen, die kochen immer dann hoch, wenn eine Person des öffentlichen Lebens stirbt, obwohl auch jeder andere betroffen sein könnte. Ebbt das Thema ab, scheint das Phänomen verschwunden. Wie vorher bereits bei Robin Williams ist dies nun auch im Todesfall Chester Bennington zu sehen. Der Sänger der Band Linkin Park nahm sich am 20.07.2017 das Leben. Grund hierfür war eine schwere und bereits lange andauernde Depression. Er hinterließ eine Frau und sechs Kinder.

Egoistisch, sagen die einen und andere verstehen. Oft sind die, welche verstehen, auch die, die selbst an dem Krankheitsbild Depression leiden. Trotz der immer wieder aufkommenden Öffentlichkeit ist das Thema verpönt. Vermeintliche Schwäche ist in der heutigen Leistungsgesellschaft verboten. „Ich kann da mit keinem drüber reden", sagt mir Lisa F.. Die junge Frau ist 27 Jahre alt, erfolgreich im Beruf und hat einen großen Freundeskreis. Nach außen hin wirkt sie völlig normal:" Ich bin ja auch völlig normal! Ich fühle nur anders!"

Und hier beginnen sich die Welten zu trennen. Lisa beschreibt das Gefühl als Leere oder ständiges in tiefe Dunkelheit fallen. Hiergegen kämpft sie jeden Tag. Freunde verstehen das Gefühl nicht, sagen, sie solle sich nicht so anstellen. Das ginge auch wieder vorbei. Als das Gefühl jedoch scheinbar grundlos anhält, wendet Lisa sich an einen Arzt und bekommt die Diagnose Depression. Da sie auch von Selbstmordgedanken spricht, erhält sie eine Einweisung in eine ambulante Tagesklinik. Dort beginnt ihr Kampf zurück ins Leben.

Den Kollegen und Freunden erzählte sie von einer Reha. Sie schämt sich ihrer Schwäche. Denn obwohl psychische Krankheitsbilder immer häufiger Grund für Krankschreibungen sind, ist das Thema ein Tabu. Die Angst, nicht ernst genommen oder ausgelacht zu werden ist bei den Betroffenen groß, jedoch nicht immer berechtigt.

Hierfür ist Anne J. ein gutes Beispiel. Die 34jährige leidet bereits seit ihrer Jugend unter Depressionen. Wirklich klar wurde ihr das aber erst bei einem Arztbesuch 2014. Sie schilderte ihre Symptome und erhielt eine Einweisung. Aufgrund ihrer Position im Arbeitsumfeld und um gewissen Unstimmigkeiten mit den Kollegen vorzubeugen machte sie ihre Erkrankung öffentlich. Sie informierte ihren Chef und alle Kollegen, immerhin um die hundert Personen. „Das Feedback war überwältigend!" berichtet sie. „Einige Kollegen erzählten mir ihre Erfahrungen andere bewunderten meinen Mut. Das gab mir Kraft!" Auch im persönlichen Umfeld wird Anne unterstützt.

„Ich bin nun nicht geheilt, aber es geht mir besser." Sagt sie uns mit einem bezaubernden Strahlen in den Augen. Dadurch, dass jeder Bescheid weiß, wird auf sie geachtet. Dennoch wird sie nicht besonders behandelt. „Ich habe erkannt, dass die Erkrankung ein Teil von mir ist, der meinen Charakter ausmacht. Und für den mag man mich." Für Anne war die Therapie ein großer Schritt in die Zukunft. „Ich musste jedoch erst akzeptieren, dass ich krank bin. Dann konnte der Weg beginnen."

Sie würde nichts anders machen und empfiehlt einen offenen Umgang. Denn dieser offene Umgang schafft Vertrauen zu den Mitmenschen und Vertrautheit mit der Erkrankung.

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