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Mittwoch, 21. Dezember 2016

Jeder Tag ein Lächeltag

Der Tod kann einen jeden Moment treffen. Dagegen kann man nichts machen. Aber man kann mit seinem Leben sinnvolles anstellen. Ich habe in den letzten Wochen mal bewusst darauf geachtet, mehr zu lächeln, freundlich zu sein, Aufmerksamkeit zu schenken. Ich habe kleine Gespräche mit fremden Menschen angefangen, die mit mir auf die Bahn warteten, vor dem Aufzug standen oder in der Schlange im Supermarkt.
Warten ist verschwendete Zeit, wenn man sie nicht bestmöglich nutzt. Und welchen besseren Nutzen kann es geben, als sich mit seinem Umfeld zu befassen? In der heutigen Zeit, in der wir alle getrieben von Terminen und Informationen auf unser Smartphone starren und vergessen nach rechts und links zu schauen, verlieren wir unsere größte Kraft: die Menschlichkeit. Um diese zu reaktivieren begann ich also mein Experiment. Ich ließ den MP3 Player aus oder steckte den Stöpsel nur in ein Ohr. Denn wie sonst soll ich mitbekommen, wenn mich jemand anspricht? In der Straßenbahn beobachtete ich meine Mitfahrer. Wenn mich einer ansah, lächelte ich. In den meisten Fällen kam mein Lächeln zurück. Was können Menschen schön aussehen, wenn sie lächeln! Jeder Portraitphotograph hätte Spaß an den Motiven gehabt!
Nun ging ich eine Stufe weiter: ich sprach fremde Menschen an. Ich begann damit im Supermarkt. Die Schlange war lang, die Leute genervt. Die Stimmung begann sich auf mich zu übertragen. Wir standen bereits fünf Minuten und es sollte wohl noch etwas dauern, da ein armes Geschöpf sein Portemonnaie nicht dabei hatte und der ganze Einkauf storniert werden musste. So begann ich ein Gespräch mit der jungen Frau vor mir. Anfangs reagierte sie zögerlich. Als sie jedoch an der Reihe war, hätte ich mit ihr auch einen Tee trinken gehen können. Wir hatten zusammen eine Ebene geschaffen, hatten gelacht und gemeinsame Themen gefunden. Und ich kann im Nachhinein nicht sagen, wie lange ich gewartet habe, denn eigentlich endete das Warten in dem Moment, in dem ich das Gespräch begann. So bereicherten in den letzten Wochen viele fremde Menschen mein Leben. Manche bedankten sich sogar, dass ich sie angesprochen hatte!
Was passiert, wenn man sich nicht beachtet, erlebte ich dann heute Mittag: ich fuhr mit der Bahn zum Bahnhof, die Hände voll mit Tüten und einem mönströsen Koffer, der sein Gewicht hatte... am Bahnhof musste ich diese Ungetüm dann die Treppen der Bahn hinunter wuchten. Vor der Tür standen die Fahrgäste, die in die Bahn einsteigen wollten und quasi darauf warteten, dass ich endlich fertig werde. Es waren junge Männer. Keiner machte Anstalten mir zu helfen. Sie standen da und sahen mir doof zu. Da kam mir dann ein älterer Herr zu Hilfe. Er nahm mir den Koffer ab, so dass ich in Würde aussteigen könnte. Ich bedankte mich bei ihm und hätte ihn am liebsten umarmt, denn er hatte mich ritterlich aus dieser Lage befreit. Warum gibt es nicht mehr solcher Menschen wie meinem Ritter heute? Warum vergraben wir uns lieber in uns selbst? Das Leben könnte so viel süßer und einfacher sein!
Ich werde mein Experiment zu meinem Alltag werden lassen, denn meine letzten Wochen waren durch diese kleinen Momente Aufmerksamkeit schöner und vielleicht ging es den Menschen, auf die ich traf, auch so. Haben wir dann nicht alle gewonnen? Gewonnen durch eine Gabe, die wir alle besitzen? Der neue Werbespot eines großen amerikanischen Konzerns mit angebissenem Obst im Logo sagt: öffne Dein Herz für jeden! Ich finde, das ist ein guter Ansatz! Nicht nur zu Weihnachten!

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