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Dienstag, 8. August 2017

Der Kampf mit dem schwarzen Hund

Dieser Text ist nun bereits ein paar Wochen alt und landete auf meinem privaten Facebookprofil. Aufgrund des überwältigenden Feedbacks habe ich mich aber entschlossen, ihn zu veröffentlichen, in der Hoffnung, dass er Menschen hilft zu sich zu finden oder gar zu überleben. Wenn nur ein Mensch hierdurch den weg zu seinem unbeschwerten Lachen beginnt, ist der Zweck erfüllt!

Am 21.07.2017 schrieb ich also folgendes:

"Meine letzte Nacht war ziemlich unruhig und voller Gedanken. Ich möchte deshalb den Tod von Chester Bennington zum Anlass nehmen euch, die ihr das hier lest, zu sensibilisieren.

Es sind oft die Menschen, bei denen man es am wenigsten vermutet, die oft hart mit sich selber kämpfen. Manchmal fallen sie nicht auf, weil sie sich im Leben abschotten und manchmal fallen sie nicht auf, weil sie großartige Schauspieler sind. Schau Dich um, denn vielleicht kämpft eure Cliquenrampensau gerade den schlimmsten Kampf ihres Lebens: den Kampf mit sich selber um das eigene Leben!

Die meisten von euch wissen es, denn ich habe, nachdem ich die Diagnose akzeptiert hatte, kein Geheimnis daraus gemacht. Ich habe Depression. Ich begab mich im Frühjahr 2015 in teilstationäre Hilfe und begann dort endlich mein Leben zu leben, zu lachen, zu weinen, ja alles zu fühlen. Das, was für Euch normal ist, war mir unbekannt und vergessen, ja verlernt. Klar lachte auch ich, aber bis da fühlte ich da nichts bei. Ich kannte nur Angst, Unsicherheit und eine große schwarze unbeschreibliche Leere in mir. Kaum jemand sah das, denn das Leben hat mich hart gemacht und ich war ein großartiger Schauspieler. Mein beruflicher Erfolg sprach für mich. Ich hatte einen großen und tollen Freundeskreis! Panikattacken konnte ich ruckzuck weg atmen. Ich konnte auf der Toilette weinen und wenige Minuten später die Tanzfläche stürmen ohne das jemand meine Zerrissenheit sah.

Warum ich diesen Striptease hier hinlege? Ihr alle seid Menschen, die andere Menschen kennen, die euch mehr oder weniger viel bedeuten: Seid aufmerksam. Beachtet kleinste Veränderungen! Seid gut zueinander und spart Euch Lästereien über Fremde! Diese harten Worte können das Fass eines Menschen zum Überlaufen bringen und ihn sein Leben beenden lassen! Überflüssiges Lästern über die Figur von jemanden (wir wissen nicht, wie sehr der Mensch selber damit kämpft), lachen über das Gesicht eines Menschen (wir sind alle anders und das ist gut so!), einfach elitäres Denken und andere schlecht behandeln kann zum Tod eines Menschen führen, erschreckend oder? Es braucht also keine physischen Waffen! Wir können im übertragenen Sinne Menschen mit Worten erschießen. Und vielleicht erfahren wir es dann nicht. Es beginnt doch schon damit, dass wir dumme Bilder von Menschen, die nicht unserem Schönheitsideal entsprechen, mit dummen Sprüchen versehen und auf Facebook teilen! Ja, das kann den Menschen auf dem Bild in den Selbstmord treiben!
Das Gedicht auf dem Bild unten schrieb ich 2002. Keiner dachte an Depressionen, wenn er mich sah. Man dachte, ich sei faul, rebellisch, frech. Doch eigentlich wusste ich nur nicht, wer ich bin und was ich mit mir sollte. In mir war eine tiefschwarze Leere. Dies alles erfuhr ich dann in der teilstationären Therapie. Und dafür bin ich unendlich dankbar! Wie ich da hin kam?

Es kostete mich von Tag zu Tag mehr Kraft, die Mauer und das Schauspiel um mich herum aufrecht zu halten. Die äußeren Umstände brauchten all meine Kraft auf. Eines Tages, es war 2014, sprach mich ein Arbeitskollege an, was denn mit mir sei. Ihm fehle mein Lachen. Und in dem Moment begriff ich, dass etwas mit mir schief läuft. Zwei Wochen später holte ich meine Einweisung (das Wort beunruhigte mich sehr!) und begann damit den Weg zu mir selbst. Er war nicht leicht sondern schmerzhaft aber das von mir erreichte Ziel ist so unbeschreiblich wunderbar! Das kann ich jedem Menschen nur von Herzen wünschen!

Sollet ihr also die Befürchtung haben, in Eurem Freundeskreis oder Eurer Familie driftet jemand ab, konfrontiert ihn. Packt ihn nicht in Watte aber bleibt sachlich! Lasst Euch beraten! "Normalos" können uns unter Umständen nicht verstehen. Das kann zu einem Problem werden, denn wir merken, wenn man uns nicht versteht und das kann zu einen Teufelskreis führen. Immerhin fühlt man sich nicht besser wenn man sich so anders fühlt und sieht, dass alle um einen herum einen wie einen Sonderling behandeln.

Wenn ihr Fragen habt, fragt mich! Ich bin nicht geheilt, denn eine Heilung gibt es nicht, aber ich habe gelernt auf mich zu hören, auf mich zu achten und mir Hilfe zu holen, sollte der schwarze Hund an der Leine reißen. Ich genieße das Leben und jeden Moment mit meiner Familie und meinen Freunden. Ihr könnt es sehen, denn ich lasse Euch an vielem hier auf Facebook teilhaben. Und jeder, der mich erlebt, weiß, dass ich anders bin. Das bin eben ich und während ich diesen Satz schreibe, muss ich lächeln :-)

Solltet Ihr selber betroffen sein: wendet Euch an Familie und Freunde! Nutzt die Angebote von Telefonseelsorge und Ärzten! Holt Euch Hilfe! Es ist keine Schande! Es ist ein Teil von Euch, der Euch liebenswert macht, wenn ihr ihn akzeptiert und ihn zu beherrschen lernt! Haltet Euch vor dem Abgrund fern! Der Abgrund kann warten... Das Leben ruft!"

Karmaplus

Es ist nicht leicht anderen Menschen zu vertrauen und gerade wenn jemand einen nach Geld fragt, gibt man das doch nur sehr ungern heraus, denn diese Person könnte das sauer verdiente Geld in Drogen oder Alkohol umsetzen. Heute Morgen jedoch geriet ich in eine eindeutige Situation:
Ich war auf dem Weg zu Arbeit. Musik weckte mein Hirn durch die Kopfhörer und Sonnenstrahlen kitzelten meine Nase. Es versprach ein schöner Tag zu werden. Für mich zumindest.
An der Haltestelle kam mir eine aufgewühlte Dame Ende 40 entgegen. Sie sprach mit mir, da ich aber die Kopfhörer in den Ohren hatte konnte ich nichts verstehen. Ich bat sie, das alles zu wiederholen. Sie erzählte mir, sie habe heute ihren ersten Arbeitstag in einer neuen Anstellung. Sie habe nun aber festgestellt, dass sie ihr Portemonnaie mit der Fahrkarte zu hause liegen gelassen hat. Ob ich ihr helfen könne. Sie war ziemlich fertig. Die Zeit für sie drängte, denn wer kommt schon gerne am ersten Arbeitstag zu spät?
Ihre Augen sagten mir, sie lüge nicht. So ging ich zum Automaten und zog ihr eine Tageskarte. Ich wünschte ihr einen schönen ersten Arbeitstag und lächelte sie an. Ihr Blick war etwas verwundert. Sie sagte, sie würde mir das Geld gerne wieder geben und hoffe, mich bald wieder zu treffen. Kurz bevor meine Bahn kam fiel ihr die altbewährte Methode des Nummer aufschreibens ein. Sie gab mir also ihren Namen und ihre Telefonnummer und wir verabschiedeten uns.
Wenn es Karma gibt, habe ich hoffentlich heute etwas für das meine getan. Auch wenn ich das Geld nicht wiederbekomme war es ein gutes Gefühl zu sehen, wie die Dame sich beruhigte. Ich hoffe nur einfach, dass ich auch auf einen Helden treffe, wenn mich einmal eine solche Situation ereilt.